Die Frage der Planung von romanischen und gotischen Kirchen im Mittelalter
[buch id=262 presse=0]Ein bemerkenswertes Phänomen der Baukunst im Mittelalter ist das völlige Fehlen von Bau- und Konstruktionsplänen, die so gestaltet sind, dass sich Gebäude damit vollständig planen lassen. Wo sind die Zeichnungen und tausende Pläne der bedeutendsten Bauten in Europa geblieben? Oder hat es sie vielleicht gar nicht gegeben? Sonja Ulrike Klug begibt sich in ihrem Buch „Zauberer des Zirkels“ auf eine spannende kulturgeschichtliche Spurensuche nach den Bauplänen des großen Kathedralen des Mittealters und kommt zu überraschenden Erkenntnissen. Ein Buch, das den Blick über Kunst- und Baugeschichte hinaus auf Kultur-, Mathematik-, Technik- und Sprachgeschichte wirft.
Leseprobe: Präliterale Kulturen denken anders – oder
warum das Pferd kein „heimliches Auto“ ist
Literalität als Katalysator der kulturellen Entwicklung
Europa war vor dem 13./14. Jahrhundert das gewesen, was Sprachwissenschaftler eine „orale Kultur“ nennen, also eine Kultur, die wenig bis keine Schriftlichkeit kannte und in der eine Verständigung auf überwiegend mündlichem Wege durch persönliche Kommunikation üblich war. Genauer gesagt, war Europa weniger eine „orale“ als eine „präliterale Kultur“, denn die Schriftlichkeit verschwand seit der Antike niemals völlig, sondern blieb erhalten in Form von „Inseln“, den Klöstern und dem Klerus, sowie als handwerkliche Fähigkeit von Berufsschreibern (meist klerikaler Herkunft), die man bei Bedarf engagieren konnte.